Gehirn und Sprache: Leise
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[bearbeiten] Bewusstsein ist leises Sprechen mit sich selbst
Wenn man selber über das eigene Bewusstsein nachdenkt, dann merkt man, dass ein wesentlicher Teil des Bewusstseins ein leises, unhörbares Sprechen mit sich selbst ist. So hat sich vielleicht unser Bewusstsein entwickelt.
Der Mensch hat vorwiegend ein Sprechbewusstsein: Warum ist das so? Beim Sprechen wird ein Informationskreis geschlossen: Alles, was der Mensch zu anderen Menschen sagt, hört er ja sofort wieder mit den eigenen Ohren, d. h. er hört sich ständig selbst und bekommt über die Ohren eine Rückmeldung darüber. Er produziert akustische Information, die sofort wieder ins Gehirn zurückläuft.
Gehirn ------motorisches Sprachzentrum ----- Kehlkopf ----> Schallwellen der Sprache ------> Andere Person
A | |
| | Silent pathway |
| V V
sensorisches Sprachzentrum -----------------------------eigenes-Gehör <----------------- Andere Person
Erstaunlich ist es zum Beispiel, dass Kinder beim Lesen lernen, wenn sie ein Buch lesen, zunächst noch eine ganze Weile sich selbst laut vorlesen und dann erst auf unhörbares Lesen umschalten. Wie häufig ertappt man sich selbst auch dabei, dass man eigene Gedanken, wenn man allein ist, eben doch laut ausspricht.
Dieser Informationskreis ist bei den anderen Sinnen bei weitem nicht so direkt geschlossen. So produzieren wir nicht ständig Bilder für andere Menschen, die wir auch sofort selbst wieder sehen. Wir produzieren nicht ständig Gerüche, die wir auch sofort selbst wieder riechen. Wir produzieren nicht ständig Geschmacksreize für andere, die wir selbst auch sofort wieder schmecken.
Wenn kein anderer Mensch in unserer Nähe ist, dann kann es passieren, dass wir uns trotzdem mit jemandem laut unterhalten. Wir erproben dann verschiedene Kommunikationsvarianten. Was wäre passiert, wenn ich etwas anderes gesagt hätte, als das, was ich wirklich gesagt habe? Was würde passieren, wenn ich in einer wiederkehrenden Situation so etwas sagen würde?
Ist ein anderer Mensch anwesend, kann diese Erprobung von Kommunikationsverhaltensweisen ebenfalls erfolgen. Man will etwas sagen. Kurz bevor man etwas sagt, zieht man aber die Bremse und sagt es doch nicht. Der Befehl an die Ausgabemuskulatur ist noch nicht frei gegeben, obwohl der Satz schon formuliert war. Man hört den Satz vielleicht auch schon leise vor sich hingesprochen, aber der Kommunikationspartner hört ihn noch nicht. Erst wenn der Gedanke mehrfach herumgedreht wurde, richtig formuliert ist oder die Situation passend ist, gibt man die Bahn frei an den Kehlkopf, und dann kommt er wirklich aus dem Mund. Bei den meisten Menschen wird allerdings nicht allzu lange oder gar nicht abgewogen, was sie sagen. Oft kommt es dem Sprecher selbst erst zum Bewusstsein, was er gesagt hat, wenn er sich selbst laut hat reden hören. Es muss also in unserem Kopf eine unbewusste Vorformulierungsinstanz geben.
Der Gehirnforscher Ernst Pöppel meint: Als bewusst sollen nur jene psychischen Ereignisse angesehen werden, die kommuniziert werden können. Bewusstsein steht also immer in einem sozialen Rahmen. Ohne andere gibt es kein Bewusstsein. ( E.Pöppel: Gehirn und Bewusstsein VCH Verlag Weinheim S.2 )
Erstaunlich ist hier auch die Tatsache, dass das Bewusstsein sprachenabhängig ist. Ist man zum Beispiel ein Jahr lang in einem anderen Land und hat wenig Kontakt mit der eigenen Muttersprache, so schaltet man fast komplett auf die neue Sprache um. Man denkt in der neuen Sprache, ja man träumt sogar in ihr.
Bilder und Melodien und vieles andere mehr können auch Teil unseres Bewusstseins sein. Hier zeigen sich auch wichtige Unterschiede zwischen den einzelnen Menschen. Leute, die viel sprechen, lesen und schreiben, haben vielleicht ein blasses Bilderbewusstsein und ein reiches Sprachbewusstsein. Versucht man sich bestimmte Bilder oder Landschaften vorzustellen, dann bleiben diese im Vergleich zur Realität ziemlich farblos, dunkel und begrenzt auf subjektiv als wichtig Empfundenes, vor allem dann, wenn man die Augen schließt. Das Sprechbewusstsein ist aber davon unabhängig, ob wir die Augen offen oder zu haben, ob wir unseren Mund benutzen oder nicht und ob wir unsere Ohren zuhalten oder nicht. Hier liegt ein wichtiger Unterschied zwischen dem akustischen und dem optischen Bewusstsein. Vielleicht sehen das optisch veranlagte Menschen aber ganz anders.
Etwas eingeschränkt, aber doch vergleichbar mit der Sprache, sind die Bewegungen der Hände. Sie machen ständig etwas, stehen zum Teil auch im Dienste der Kommunikation und wir sehen auch selbst sofort wieder, was wir machen.
Wir sollten also von unseren Fingern ein sehr plastisches Bewusstsein haben, da wir sie ständig sehen und ihre Tastinformationen bekommen, sie gleichzeitig auch jederzeit bewegen können. Allerdings dienen die Finger erst in zweiter Linie zur Kommunikation mit anderen Menschen. Wohingegen die Sprache und das Gehör außerordentlich wichtig für die Kommunikation mit anderen sind.
[bearbeiten] Seh- und Riechbewusstsein als denkbare Alternative zum Sprechbewusstsein
Wenn man sich vorstellt, wie ein kurzgeschlossenes Bewusstsein des optischen Bereiches aussehen könnte, dann merkt man, dass beim Menschen eine Lücke klafft. Er hat kein bilderzeugendes Organ für seine Gedanken, das auch andere Personen sehen können, das er aber auch selber sehen kann. Eine rudimentäre Form dieses optischen Zeigeinstrumentes stellen unsere Hände dar. Sie haben eine optische Kommunikationsfunktion und wir sehen sie auch immer selbst in Aktion.
Hypothetisches kurzgeschlossenes optisches Bewusstsein
Gehirn ------(optisches Kommunikationszentrum)-----(Monitor) ----> Lichtwellen ----> Andere Person
A fehlt fehlt fehlt
| # dark pathway #
| V V
Sehzentrum-------------------------------------------------eigene-Augen <----------------- Andere Person
Abbildung: 2 kommunikative Tintenfische. Ihr Bildschirm kann von beiden Seiten gesehen werden:
- Vom Bilderzeuger selbst
- Vom Kommunikationspartner.
Dieses Bild zeigt die fiktive Möglichkeit eines optischen Kommunikationskanales. In Abwesenheit eines Kommunikationspartners kann der fiktive Tintenfisch dann auch in der Dunkelheit mit sich selbst "bildern", ohne das Zeigeinstrument überhaupt anzuschalten.
Wenn man sich vorstellen will, wie ein kurzgeschlossenes Bewusstsein des Geruches aussehen könnte, dann merkt man, dass auch hier beim Menschen eine Lücke klafft. Er hat kein dufterzeugendes Organ (z. B. eine Duftdrüse ) mit schnell wechselnden Düften, die andere Personen riechen können, die er aber auch selber riechen kann.
Hypothetisches kurzgeschlossenes Geruchsbewusstsein
Gehirn ------(Geruchs Outputzentrum)-----(Drüse) ----> Duftwelle--------> Andere Person
A fehlt fehlt fehlt
| # nosmell pathway #
| V V
Riechzentrum-----------------------------------------eigene-Nase <------- Andere Person
Unser Gehör und unser Kehlkopf mit der Sprache als Medium sind als In- und Outputkanäle des Bewusstseins mit einer höheren kommunikativen Potenz zu beurteilen, als die eher objektiven Sinneskanäle Sehen und Riechen, denen ein echter, differenzierter Outputkanal fehlt und die deswegen zur sozialen Kommunikation zumindest beim Menschen nicht so sehr genutzt werden können wie die Sprache.
Obwohl gehörlos geborene Menschen mit ihrer Gestensprache auch im optischen Kanal differenzierte Kommunikation betreiben können, sind die Vorteile des akustischen Kanals groß, weil er ohne Sichtkontakt auskommt. Töne hören wir auch im Dunkeln, um die Ecke, von hinten, im Wald, im Versteck, mit Buschtrommeln sogar über mehrere Kilometer weit.
Dagegen gelang die Speicherung von akustischer Information erst vor circa hundert Jahren mit Edisons Phonographen, während die Aufzeichnung in optischen Schriftzeichen viel einfacher und schon seit Jahrtausenden möglich ist.
[bearbeiten] 5 Basisaussagen über das Bewusstsein
Das menschliche Bewusstsein ist weit davon entfernt, auch nur einigermaßen durchschaut und verstanden zu sein. Dennoch kann man ein paar sichere Aussagen über das Bewusstsein treffen, die es ganz klar als Funktion unseres Gehirnes definieren:
- Unser Bewusstsein erlischt jeden Tag im Schlaf und schaltet wieder an, wenn wir aufwachen.
- Unser Bewusstsein lässt sich sehr leicht durch Medikamente innerhalb von Minuten abschalten. Dies funktioniert beispielsweise ohne Probleme beim wachen, gesunden Menschen mit dem Stoff Midazolam ( = Dormicum). Gibt man diesen Stoff in ausreichender Dosis - natürlich nur, wenn dies medizinisch notwendig ist - dann wird das Bewusstsein innerhalb kürzester Zeit ausgeschaltet. Auch der umgekehrte Weg funktioniert problemlos. Die Wirkung des Schlafmittels kann innerhalb von wenigen Minuten durch ein Gegenmittel wie z.B. Flumazenil ( = Anexate) wieder aufgehoben werden. Das Bewusstsein ist dann wieder angeschaltet.
- Unser Bewusstsein ist sicher noch nicht in der befruchteten menschlichen Eizelle vorhanden. Es ist aber in einem gesunden, wachen erwachsenen Menschen zu finden. Irgendwo dazwischen muss es sich gebildet haben.
- Das Bewusstsein ist sicher noch nicht in den Anfängen des Lebens, in den Einzellern, vorhanden. Es ist aber bei höheren Lebewesen wie den Menschen zu finden. Es muss sich also irgendwo dazwischen im Laufe der Evolution entwickelt haben. Das unbewusste Denken ist älter als das bewusste Denken.
- Das Bewusstsein erlischt mit dem Tod des menschlichen Gehirns.
Diese 5 Basisaussagen lassen nach naturwissenschaftlicher Meinung erkennen, dass das Bewusstsein eine Funktion des Gehirnes ist.
Es gibt einige einfache Kennzeichen des wachen Bewusstseins beim gesunden Menschen:
- Bewusstseinsklarheit ( klare geistige Verfassung):
- der Mensch ist ansprechbar
- zeitlich orientiert
- räumlich orientiert
- zur eigenen Person orientiert
- er reagiert normal
- er zeigt eine normale Merkfähigkeit
- er zeigt ein normales Handlungsvermögen
- er zeigt eine normale Denkfähigkeit
- er zeigt eine normale Vorstellungskraft
Persönliche Werkzeuge
- Diese Seite wurde zuletzt am 13. November 2006 um 14:01 Uhr geändert.
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